In den letzten Jahren wird eine Beteiligung genetischer Faktoren an der Adipositas immer offensichtlicher, so daß hier kurz Studien dargestellt werden, die den genetischen Einfluß dokumentieren.
Stunkard et al. (1986) zeigten in einer Adoptionsstudie, daß ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Body Mass Index der erwachsenen Kinder und dem der biologischen Eltern, nicht jedoch zu dem der Adoptiveltern bestand. Dabei war die Korrelation zur biologischen Mutter enger als zum biologischen Vater. Waren beide biologischen Elternteile adipös, entwickelten 80 % der Kinder ebenfalls eine Adipositas. Waren die biologischen Eltern normalgewichtig, wurden nur 14 % der Nachkommen adipös.
Eine Untersuchung von Stunkard, Harris, Pedersen und McClearn (1990) zeigte eine hohe Übereinstimmung im Body Mass Index eineiiger Zwillingspaare. Eineiige Zwillingspaare, die getrennt voneinander aufwuchsen, wiesen eine Intrapaar-Korrelation von r = .70 auf. Zweieiige Zwillingspaare, die getrennt aufwuchsen, zeigten eine Intrapaar-Korrelation von r = .15. Stunkard et al. (1990) folgerte daraus, daß genetische Faktoren sehr wesentlich sind, und womöglich die bestimmende Größe für das Körpergewicht darstellen.
In einer Untersuchung von Bouchard et al. (1990) wurden 12 eineiige Zwillingspaare 100 Tage lang überernährt. Es zeigte sich, daß die Varianz der Zunahme an Körperfett zwischen den Paaren dreimal größer war als innerhalb der Zwillingspaare. Für das viszerale Fett ergab sich sogar ein Unterschiedsfaktor von 6.
Nach Wirth (1997) sind bei Mäusen fünf monogenetische Adipositaslinien bekannt. Einer ist der Erbgang der adipösen „ob/ob“ -Maus. Das Obesitasgen (kurz ob-Gen) und sein Produkt das Leptin haben Einfluß auf die Regulation der Fettmasse. Injektionen des ob-Proteins bei der Maus führen zu einer verminderten Futteraufnahme und erhöhen die Körpertemperatur sowie den Aktivitätsgrad. Das Gewicht reduziert sich um 30 % innerhalb von 2 Wochen.
Wirth (1997) berichtet, daß adipöse Menschen einen etwa viermal so hohen Serumspiegel wie Normalgewichtige besitzen. Diskutiert wird dabei eine Insensitivität bei Adipösen gegenüber Leptin auf Rezeptor- oder Postrezeptorebene. Möglicherweise dient das Leptin dem Gehirn als Signal für die Hunger-Sättigungsregulation. Erste Ergebnisse sprechen auch für Auswirkungen auf den Energieverbrauch (Wirth, 1997).
Der genetische Einfluß manifestiert sich eventuell in der interindividuell stark unterschiedlichen Ausprägung der Anpassung des Organismus an Veränderungen der Energiezufuhr. Weiterhin wird eine genetische Determinierung der Fettzellenanzahl diskutiert (Wirth, 1997).