Die Realisierung der sozialen Unterstützung im therapeutischen Prozeß bedeutet die Integrierung nahestehender Personen (Ehepartner, Bekannte) in das Behandlungsprogramm in unterschiedlicher Intensität, durch die man sich verschiedene positive Effekte erhofft. Nach Diedrichsen (1990) bestärkt ermutigende soziale Unterstützung die Patienten bei ihren Anstrengungen zur Überwindung der Adipositas.
Um soziale Unterstützung für die Klienten zu erhalten, werden verschiedene Wege eingeschlagen. Die Maßnahmen reichen von der Empfehlung Textmaterialien den nahestehenden Personen zu zeigen, dem expliziten Fragen nach Unterstützung, über das Einladen des Partners zu einer der ersten Stunden, bis hin zur ständigen Teilnahme des Partners an dem Behandlungsprogramm. Eine Quelle der sozialen Unterstützung können auch die anderen Gruppenteilnehmer sein.
Man verspricht sich durch die Integrierung nahestehender Personen in das Behandlungsprogramm einige Vorteile. Nach Brownell & Wadden (1986) besteht die Möglichkeit, daß Familienmitglieder eine Rolle in der Ätiologie bzw. Aufrechterhaltung der Adipositas spielen und eventuell den Klienten daran hindern, erfolgreich abzunehmen. Aus diesem Grund sollten Familienmitglieder an dem Behandlungsprogramm teilnehmen, damit diese Problemfelder bearbeitet werden können. Weiterhin erwartet man sich durch Lob und Anerkennung von Fortschritten durch den Partner eine weitere wirksame Quelle positiver Verstärkung. Durch die Integrierung nahestehender Personen in das Behandlungsprogramm, indem sie einige Aufgaben übernehmen, wie z.B. Einkaufen der Lebensmittel, Vorbereitung der Mahlzeiten kann eine Erleichterung für den Klienten während der Gewichtsabnahme geschaffen werden. Wadden und Bell (1990) weisen schließlich darauf hin, daß durch die Integrierung des Ehepartners in die Behandlung es auch zu einer Auflösung der negativen Gefühle gegenüber dem Übergewicht kommen kann.
Studien
Eine Untersuchung von Brownell, Heckerman, Westlake, Hayes und Monti (1978, zitiert nach Pearce, LeBow und Orchard, 1981) zeigte, daß die Integrierung der Ehegatten in das Behandlungsprogramm nur geringfügige Effekte auf die Gewichtsabnahme besitzt, aber die Langzeitergebnisse dramatisch verbessert. Bei einer Nachuntersuchung nach 6 Monaten zeigten die Teilnehmer in der Experimentalgruppe eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 30 Pfund, im Gegensatz zu den Teilnehmern zweier anderer Gruppen, die mit Hilfe eines verhaltenstherapeutischen Standardprogramms 19 Pfund bzw. 15 Pfund abnahmen.
Auch Pearce et al. (1981) fanden positive Effekte durch die Einbeziehung des Ehepartners in das Behandlungsprogramm. Die Ehegatten unterstützten ihre Frauen bei verschiedenen verhaltenstherapeutischen Techniken (Registrierung des Eßverhaltens, positive Verstärkung, usw). Die Überlegenheit dieser Vorgehensweise zeigte sich bei den Nachuntersuchungen (3, 6 und 12 Monate). Im Gegensatz zu den anderen Behandlungsgruppen war die Gruppe mit den Ehegatten die einzige, die ihre Gewichtsabnahmen vollständig erhalten konnte.
In einer Untersuchung von Saccone und Israel aus dem Jahre 1978 übernahmen die Ehepartner während des Behandlungsprogramms Beobachtungs- und Verstärkungsaufgaben. Es fanden sich höhere Gewichtsabnahmen als bei einem Standardprogramm ohne Ehepartner, insbesondere dann, wenn das Eßverhalten und nicht die Gewichtsabnahme Gegenstand der Beobachtung und Verstärkung war.
Jedoch gab es auch Studien, in denen sich keine positiven Effekte von Paartraining und sozialer Unterstützung zeigten. In einer Untersuchung von Brownell und Stunkard (1981), zeigten sich bei einer Nachuntersuchung nach 12 Monaten keine Unterschiede bei den Gewichtsabnahmen zwischen der Behandlungsgruppe, bei der die Ehegatten an allen Sitzungen teilnahmen, einer weiteren Gruppe von adipösen Frauen ohne Ehemänner, die sich aber für eine Gruppenteilnahme bereiterklärt hatten und einer dritten Gruppe von adipösen Frauen, deren Ehemänner sich weigerten an den Sitzungen teilzunehmen.
Auch in der Studie von Weisz und Bucher (1980) konnten gegenüber einer Kontrollgruppe keine positiven Effekte bei Gewichtsabnahme und Gewichtserhaltung durch die Integrierung der Ehemänner in das Behandlungsprogramm festgestellt werden. Veränderungen zeigten sich jedoch bei erhobenen Depressionswerten und der Qualität der Partnerschaft.
Da die meisten Behandlungsprogramme in einem Gruppensetting stattfinden, sollte das Potential sozialer Unterstützung der Gruppe genutzt werden. Perri, McAdoo, Spevak und Newlin (1984) versuchten dieses Potential für die Nachbehandlungsphase zu nutzen, indem sich die Gruppenteilnehmer nach der Behandlung weiter regelmäßig trafen. Die Teilnehmer beobachteten gegenseitig ihr Gewicht, lobten sich für Erfolg und benutzten Problemlösetechniken, um sich gegenseitig bei Schwierigkeiten zu helfen. Bei einer Nachuntersuchung nach 21 Monaten konnten die Mitglieder dieser Gruppe durchschnittlich 10 Pfund von 13,5 Pfund Gewichtsabnahme erhalten, gegenüber den Klienten die an Booster-Sessions teilnahmen und nur 0,8 Pfund von 12,4 Pfund verteidigen konnten.
Indikation
Diedrichsen (1990) weist darauf hin, daß die Qualität der Familien- bzw. Partnerbeziehung und die Bereitschaft des Patienten, Hilfe von anderen anzunehmen, wichtige therapeutische Einflußgrößen darstellen, die bei der Therapieplanung in Bezug auf die Integrierung nahestehender Personen berücksichtigt werden sollten.
Soziale Unterstützung durch Ehepartner und andere nahestehende Personen während der Therapie hat sich in empirischen Studien als sehr effektiv erwiesen. Dabei kann deren Integrierung auf verschiedenste Weise stattfinden. Individuelle Möglichkeiten der Teilnahme der Ehepartner oder nahestehender Personen an dem Programm sollten mit den Klienten besprochen werden.