Die Hunger-Sättigungsregulation ist ein gutes Beispiel für ein biopsychosoziales Modell. Damit ist gemeint, dass biologische wie auch psychologische Parameter Hunger und Sättigung steuern.
Es besteht die Annahme, dass Adipöse Dysregulationen bei Hunger-, Appetit- und Sättigungsgefühlen aufweisen, sodass diese Sensationen nicht mehr mit dem Energiebedarf des Organismus in Einklang stehen. Infolgedessen kann es zu einer erhöhten Nahrungszufuhr kommen, damit zu einer positiven Energiebilanz und zu einer Erhöhung des Körpergewichts.
Dass bei einigen Adipösen normale Sättigungsprozesse nicht greifen, und die Nahrungsaufnahme demzufolge nicht eingestellt wird, zeigen kumulative Essenskurven
Adipöser im Gegensatz zu denen Normalgewichtiger (Pudel, 1982). Bei einigen Adipösen kommt es zu linearen statt hyperbolen kumulativen Essenskurven, d.h., dass das Volumen der Nahrungsaufnahme nicht in Abhängigkeit von der Zeit nachläßt.
Ein Modell, dem man verschiedene Störungsansätze zuordnen kann, geben VanItallie und Campbell (1972, zitiert nach Pudel, 1982) in Form ihrer Push- und Pull-Theorie. Die Pull-Theorie erklärt Störungen im biochemischen Regelsystem mit inneren Reizen, die physiologisch einen Energiebedarf melden, der aber tatsächlich gar nicht besteht. So wird unnötig Nahrung in den Organismus „hineingezogen“. Die Push-Theorie setzt keine physiologische Störung voraus. Hier veranlassen äußere Reize, daß eine überflüssige Nahrungsaufnahme stattfindet. Die Externalitätshypothese kann z.B. der Push-Theorie zugeordnet werden.
Nach Wirth (1997) sind die Kenntnisse über die Regulation von Hunger, Appetit und Sättigung keineswegs bekannt und zum Teil erheblich widersprüchlich. Zur Steuerung von Hunger- und Sättigungsgefühlen existieren eine Reihe von Modellen: die thermostatische Theorie, die glycostatische Theorie, die lipostatische Theorie und die „Zwei-Zentren-Theorie“.
Nach der glukostatischen Theorie (Mayer, 1953) lösen biochemische Veränderungen in der Blutzusammensetzung Hunger und Sättigung aus. Die Annahme ist, dass ein Absinken des Insulinspiegels den Nahrungstrieb aktiviert und ein Anstieg des Insulinspiegels die Nahrungsaufnahme hemmt.
Die lipostatische Theorie (Kennedy, 1953) geht davon aus, dass spezifische Regionen im Gehirn, die Hunger und Sättigung steuern, ihre relevanten Informationen aus der im Körper gespeicherten Fettmenge beziehen.
Seit den vierziger Jahren hält sich die Vorstellung, daß die zentralnervöse Regulation des Hungers und der Sättigung in hypothalamischen Kerngebieten lokalisiert ist (Wirth, 1997). Danach befinden sich neuronale Systeme für das Sättigungszentrum im nucleus ventromedialis hypothalami (VMH) und für das Hunger-Eß-Zentrum im lateralen Hypothalamus (LH). Diese Theorie wird auch „Zwei-Zentren-Theorie“ genannt.
Eine Zerstörung des VMH im Tierversuch führt aufgrund verschiedener Mechanismen zur Adipositas. Dabei ist die Aktivität des Parasympathikus erhöht und die des Sympathikus erniedrigt, was zu einer Verminderung der Thermogenese führt. Weiterhin fressen die Tiere mehr und der zirkadiane Rhythmus hinsichtlich der Futteraufnahme ist gestört (Rohner-Jeanrenaud, 1995). Bei Läsionen im lateralen Hypothalamus trinken und fressen die Tiere weniger und verlieren an Gewicht. Die sympathische Aktivität ist erhöht, was sich in vermehrter körperlicher Aktivität, gesteigerter Thermogenese und erhöhter Körpertemperatur ausdrückt.
Auch die Signale der Magendehnung spielen eine Rolle bei der Sättigung. Sie werden über neurale Mechanismen und solche des intragastrischen und intestinalen Nahrungsgehaltes über hormonale Mechanismen an das Gehirn vermittelt (Wirth, 1997).
Nach Brodbeck (1948) hängt die Nahrungsaufnahme vom Wärmebedarf ab. Auf äußere Temperaturschwankungen reagiert der Körper mit Änderungen im Stoffwechsel, um die Körperwärme zu steuern. In kühler Umgebung steigt der Nahrungsbedarf, bei Hitze verhindert Appetitverlust die Nahrungsaufnahme, da es so zu einer sinnlosen Erhöhung der Körpertemperatur käme.